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Große Held*innen: Marie Curie

MARIE CURIE (1867 – 1934) ist die wohl bekannteste Wissenschaftlerin der Welt. Mit zwei Nobelpreisen – lange als einzige Person in unterschiedlichen Kategorien (1903 in Physik und 1911 in Chemie)  und als erste Frau, die diese Auszeichnung erhielt sowie Professorin in Physik an der Sorbonne wurde, schrieb sie Geschichte. Was heute eine Erfolgsgeschichte ist, war währenddessen nicht immer als solche erkennbar. Ihr Weg war geprägt von Entbehrungen, Hindernissen und Schwierigkeiten. Wie hat Marie die Stolpersteine überwunden, in jungen Jahren ihre Berufung gefunden und welche Charaktereigenschaften aber auch Faktoren haben ihr schlussendlich zu diesem großen Erfolg verholfen?

Inhalt

KURZ & KNAPP

Steckbrief Marie Curie

Name: Marie Curie, geb. Maria Salomea Sklodowska 

Lebensdaten: 7. November 1867 in Warschau, Polen bis 4. Juli 1934 in Frankreich

Nationalität: polnisch, ging zum Studium nach Paris, Frankreich

Familie: Ehemann Pierre Curie (Heirat 1895, bis zu seinem Tod 1906), Töchter: Irène Joliot-Curie (1897-1956) und Ève Curie-Labouisse (1904-2007)

Beruf(ung): Physikerin und Chemikerin, Professorin der Physik an der Sorbonne

Leistung: Sie wies Radioaktivität nach und entdeckte die Elemente Polonium und Radium

Anerkennung: Nobelpreise 1903 in Physik (für die Entwicklung und Pionierleistung auf dem Gebiet der spontanen Radioaktivität und der Strahlungsphänomene) und 1911 in Chemie (für die Isolierung des Elements Radium)

Ziel: Mit der Entdeckung eines radioaktiven Elements die Krebstherapie vorantreiben

Besonderheit: Sie lebte für die Wissenschaft

Die Errungenschaften von Marie Curie

Um die Jahrhundertwende ist die Wissenschaft in männlicher Hand. In vielen Ländern, wie in Deutschland und Polen, dem Herkunftsland von Marie Curie, dürfen Frauen nicht studieren. Ihnen bleibt der Zugang zu Laboratorien und Fakultäten verweht. Einige wenige Frauen machen bedeutsame Entdeckungen, kämpfen aber zeitlebens gegen die Unterdrückung, um die Anerkennung ihrer Erfindungen und die Aufnahme in die Akademien. (1)
 
Eine der wenigen, die sich durchsetzen kann, und deren Geschichte bis heute erzählt wird, ist: Marie Curie. Ihre Errungenschaften sind so zahlreich und bedeutend für die nachfolgenden Generationen, dass sie schon zu Lebzeiten von der Presse verfolgt wird und nach einem Skandal (sie hat nach dem Tod ihres Mannes eine Affäre mit einem verheirateten Mann) fast aus Frankreich vertrieben wird, so groß ist das öffentliche Interesse und der Druck. Gleichzeitig wurde sie als Heldin gefeiert, Straßen nach ihr benannt und auf dem 500-Franc-Schein verewigt. (2)
  • Europas erste Doktorin der Naturwissenschaft in Physik
  • Frankreichs erste Professorin an der Sorbonne
  • Erste Frau, die den Nobelpreis erhielt (1903 in Physik mit ihrem Mann Pierre Curie und Antoine Becquerel)
  • Der erste Mensch, der einen zweiten Nobelpreis erhielt (1911 in Chemie)
  • Lange Zeit der einzige Mensch, der zwei Nobelpreise in zwei unterschiedlichen Kategorien erhalten hat
  • Erste Frau, die in die französische Akademie der Medizin „Academie de Sciences“ aufgenommen wurde (0)
  • Leiterin des Radium-Instituts der Sorbonne
  • Gründet im 1. Weltkrieg Röntgenstationen für verwundete Soldaten
  • Entdeckung von Radium treibt die Krebsforschung voran
  • Element „Curium“ wird nach ihr benannt
  • Gebeine werden in das Pantheon von Paris überführt (Grabstätte der Großen Frankreichs)
  • Unterstützung weiblicher Studentinnen (2), (3)
1896: Marie und Pierre Curie im Labor © AIP Emilio Segrè Visual Archives, Physics Today Collection
1925: Marie Curie im Labor © Own work, Creative Commons
1927: Solvay-Konferenz über Elektronen und Photonen mit Albert Einstein und Marie Curie (erste Reihe) © Benjamin Couprie / Public domain
Mich interessiert, noch mehr als eine Nacherzählung ihrer Biographie, wie es Marie Curie in einer für Frauen so schwierigen Zeit geschafft hat, zum „ersten wissenschaftlichen Weltstar“ (4) zu werden. Warum hat gerade sie die Hindernisse ihrer Zeit überwinden können? Was für eine Rolle spielen bei ihr Träume und das Finden einer Berufung?
Um Antworten näher zu kommen, habe ich mich unter anderem mit ihrer Kindheit beschäftigt, eine Phase, in der wichtige Grundbausteine für später gelegt werden und versucht Charakterzüge auszumachen. Nicht zu vernachlässigen ist meiner Meinung nach auch das Umfeld, vor allem in ihrem Erwachsenendasein. Erfolg ist meist nicht das Produkt von einer Person alleine, sondern häufig das Produkt aus dem Zusammenspiel von vielen Faktoren, zu denen andere Menschen als Unterstützer oder Inspiratoren dazu gehören.
BERUFUNG

Wie Marie Curie ihre Berufung fand

Marie Curie, 1867 geb. als Maria Salomea Sklodowska in Polen, genannt Mania, stammte aus einer verarmten aber gebildeten Familie. Der Einfluss ihrer Eltern in jungen Jahren ist maßgebend für ihren späteren Erfolg als Wissenschaftlerin. Manias Vater, Professor Sklodowski, war er der Meinung, dass Bildung vom Geschlecht unabhängig sein müsse und förderte seine Töchter und Söhne gleichermaßen, auch wenn er nur dem Sohn Josef ein Medizinstudium finanzieren konnte.(5) Er kümmerte sich um die Erziehung seiner Kinder und sorgte dafür, dass sie außerhalb der Schule tagsüber und abends lernten. Zudem erinnert sich Marie Curie später, dass (6)

"selbst die unwichtigste Unterhaltung eine moralische oder wissenschaftliche Lektion enthielt, dass ein Spaziergang dazu diente, ein wissenschaftliches Phänomen oder die Geheimnisse der Natur zu erklären, und dass ein Sonnenuntergang einen kurzen Exkurs über Astronomie provozierte."

Marie kam somit schon in ihrer Kindheit mit wissenschaftlichen Themen in Berührung, wurde gefördert und profitierte vom hohen Stellenwert den ihre Eltern Bildung beimaßen. Im zarten Alter von circa 16 Jahren hatte Mania ihre Berufung gefunden. Ihr war klar, dass sie Wissenschaftlerin werden wollte, „wenigstens aber ‚etwas‘, womit sie eine gewisse Bedeutung für die Welt erlangen konnte.“ (5)
 
Mit dem Berufswunsch als Ziel vor Augen führte ihr Wissensdurst und innerer Antrieb auch ohne Anleitung des Vaters und sein Drängen auf diszipliniertes Lernen zu einem intensiven Selbststudium. Nach der Schulzeit arbeitete sie mit 18 Jahren als Gouvernante in Szczuki, um ihrer Schwester das teuere Studium in Paris zu ermöglichen und eines Tages nachzukommen. Dort durften, im Gegensatz zu Polen, Frauen an den Universitäten lernen. Obwohl sie lange Arbeitstage hatte, bildete sich nachts weiter, las zahlreiche Bücher und brachte sich Dinge bei, die sie interessierten. Dabei hinterfragte sie die Erkenntnisse der anderen Wissenschaftler und zog ihre eigenen Schlüsse, eine Eigenschaft, ohne die sie wohl später nie ihre eigenen Entdeckungen gemacht hätte. (7)

Eigenschaften Marie Curies, die zum Erfolg führen

Marie lässt sich nicht unterkriegen

Die Zeit in Szczuki war für Marie nicht einfach. Sie fühlte sich nie richtig wohl und anerkannt von der Familie, bei der sie lebte und arbeite. Eine sich anbahnende Liebschaft mit Casimir Zorawski wurde im Keim erstickt und sie litt an Liebeskummer. Die Schwierigkeiten vor Ort waren ein Grund für sie, sich noch tiefer in die Wissenschaft zu vergraben und mit der Flucht in diese Welt eine Art Panzer gegen die Wirklichkeit zu erschaffen. 

Als Sie dann im Alter von 23 Jahren endlich zum Studium nach Paris ziehen konnte, hatte „Mania gelernt, dass sie mit Geduld und Beharrlichkeit das scheinbar Unmögliche schaffen und ihre wahren Gefühle durch kühlen Intellekt kaschieren konnte. (…) So gewappnet, war sie in der Lage, Hindernisse wie Frauendiskriminierung oder Geldmangel sowie ihre unzureichende Vorbereitung in den Fächern Chemie und Physik auszublenden.“ (8)

In einem Brief an ihre Cousine Henrietta Michalwoska schrieb Marie bezüglich ihres Kummers in Szczuki von ihrem obersten Prinzip: „sich nicht unterkriegen lassen, nicht von den Menschen und nicht von den Ereignissen“(9). Diese Handlungsweise lernte sie zeitlebens anzuwenden. Es gelang ihr mal besser, mal schlechter. Die privaten Schicksalsschläge waren zahlreich: der Verlust ihrer Eltern, Schwiegereltern und eines Kindes, die Krankheit durch die Strahlenbelastung ihrer Arbeit, der frühe Tod ihres geliebten Mannes und Kollegen Pierre Curie, die Schlagzeilen um ihre Affäre mit Paul Langevin und öffentliche Verurteilung als Ehebrecherin. (10) Dennoch kämpfte sie sich bis zum Ende immer wieder zurück.

Marie taucht in ihren Studien ab

Neben ihrer Widerstandsfähigkeit und dem Willen sich nicht unterkriegen zu lassen, gehörte zu ihren Stärken die Fähigkeit durch das Lernen die Welt um sie herum auszuschalten . Sie ging in Paris, wie schon auch in ihrer Kindheit, voll in ihren Studien auf und vernachlässigte andere Dinge, wie einkaufen und kochen. (11)
 
Marie Curie schreibt selbst in einem Brief (12):

"Mein ganzes Denken kreiste um meine Studien. Ich verteilte meine Zeit gleichmäßig auf Kurse, Experimente und Arbeit in der Bibliothek. Abends arbeitet ich in meinem Zimmer, manchmal bis sehr spät nachts. Alles Neue, das ich entdeckte und lernte, entzückte mich. Es war wie eine neue Welt, die sich mir eröffnete, die Welt der Wissenschaft, die ich endlich in aller Freiheit erkunden durfte."

Heute würden wir davon sprechen, dass Marie Curie sich in den Zustand des „Flows“ begeben hat. Betitelt hat diesen Zustand der Glücksforscher Mihály Csíkszentmihályi und  beschreibt ihn als völliges Abtauchens in einer Aufgabe. Im Flow ist man fokussiert, erkennt richtig und falsch, die Zeit verfliegt, man empfindet Glücksgefühle, kann kreativ sein und zu Aha-Momenten gelangen. (13) Ich würde sogar soweit gehen und behaupten, dass an der Fähigkeit Maries sich in den Flow-Zustand zu versetzten, zeigt, dass sie ihre wahre Berufung gefunden hatte, die sie zum Weitermachen antrieb.
Marie Curie im Labor © Public domain
Marie Curie im Labor © Public domain

Marie und Pierre Curie glauben an den Durchbruch und üben sich in Geduld

Die Begegnung mit Pierre Curie sollte Maries Dasein verändern und eine neue Phase in ihrem Leben einläuten. Anfangs kamen Treffen aus praktischen Gesichtspunkten zustande: Marie suchte ein Labor und wollte von Pierres Sachkenntnis in Physik und Chemie profitieren. Schon beim Kennenlernen war Pierre klar, dass er einer „genialen Frau“, die „sein Wesen und seine Seele verstand“(14) begegnet war, wohingegen Marie ihn zwar von Anfang an als Wissenschaftler und Gesprächspartner schätzte, aber noch Zeit benötigte, um sich auf ein Leben und Ehe mit ihm in Paris einzulassen. Es folgte schlussendlich eine lebenslange Verbindung als wissenschaftliche Partner und innige Liebe als Eheleute, die bis zum frühen Tod von Pierre Curie hielt.
 
Gemeinsam forschten Pierre und Marie Curie in ihrem eigenen Laboratorium mit dem Ziel das neu entdeckte Element Radium aus Pechblende zu isolieren. Den ersten Nobelpreis als Stärkung im Rücken, erhoffte sich Marie vom radioaktiven Radium, dass es die Krebstherapie voranbringen könnte. (15) Die Arbeitsbedingungen waren schlecht, das Geld für die Forschung fehlte an jeder Ecke, die Arbeit im kargen Labor war anstrengend und monoton, im Winter froren sie, im Sommer herrschte Hitze. Ihre Zeit bestand aus Messen und Wiedermessen, dem Überwachen von Prozeduren, aus zahllosen Fraktionierungen und der tonnenweise Verarbeitung von Pechblende. (16) Tagein, tagaus verrichten sie die gleiche Arbeit, unterbrochen von gemeinsamen Gesprächen über ihre Arbeit und Teepausen am Ofen. Die Jahre vergehen ohne bemerkenswerte Fortschritte. Trotz allem empfang Marie diese Zeit als heroisch und glücklich (17):

"Wir lebten wie in einem Traum, von der einen, einzigen Sache erfüllt."

Es zeichnen sich ihre Stärken ab: Die Curies verloren den Mut nicht, blieben geduldig, weil sie dank ihrer unverhofften Entdeckung an das neue Gebiet und die Möglichkeit eines Durchbruchs glaubten.
 
Ihre Tochter Ève schreibt im Nachhinein über diese Zeit (17):

"Die widerstrebende Materie fasziniert sie. Verbunden durch ihre Liebe und ihre geistigen Passionen, leben sie in der Bretterbaracke die unnatürliche Existenz, für die sie beide geschaffen sind."

Am Ende sollten Marie und Pierre recht behalten und ihre Geduld sich auszahlen. Im Jahr 1902 war es endlich soweit: aus der Verarbeitung von vielen Tonnen Pechblende erhielten sie reines Radium. Das neu gewonnene Element ist neunhundert Mal radioaktiver ist als Uran und durch Zufall – Marie zerbricht eine Phiole und verbrennt sich – finden sie heraus, dass es Zellen zerstören kann. Diese Erkenntnis führte dazu, dass Radiumstrahlung, wie von ihnen erhofft, bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts bei der Behandlung von Krebszellen und anderen Krankheiten eingesetzt wurde. (18) Für die Isolierung des Elements Radium bekam sie im Jahr 1911 den Nobelpreis in Chemie verliehen.
MARIE IST NICHT ALLEINE

Unterstützer auf dem Weg von Marie Curie

Die Leistung von Marie Curie ist außergewöhnlich und sie hat sich zurecht die Auszeichnungen und den Ruhm dafür erkämpft. Ich denke, dass neben der Basis für Erfolg, wie besonderes Talent, Durchsetzungsvermögen, Geduld, kontinuierliche Arbeit, ein innerer Antrieb und Visionen, auch noch Faktoren wie der richtige Zeitpunkt und die Unterstützung von anderen maßgeblich sind. Ein Umfeld, das einem den Rücken freihält, einem Möglichkeiten eröffnet oder das eigene Schaffen mit Inspiration, Reflexion und gedanklichem Austausch weiterbringt, kann auf dem schmalen Grad zwischen Erfolg und Misserfolg den Unterschied machen.

1895: Pierre und Marie Curie in Sceaux
1908: Irène und Ève Curie
1904: Familie Curie und Guillaume

Pierre Curie: Ihr Partner in der Wissenschaft und im Privatleben

Wie schon in den Kapiteln davor beschrieben, waren Pierre und Marie Curie mit einer besonderen Partnerschaft gesegnet. Sie verstanden einander vom ersten Moment an, teilten die Leidenschaft für die Wissenschaft und hatten gemeinsame Träume. In einem Brief, in dem Pierre Marie von einem gemeinsamen Leben in Frankreich überzeugen will, schrieb er (19):

"Es wäre eine schöne Sache, wenn wir unser Leben einer in der Nähe des anderen verbringen könnten, hypnotisiert von unseren Träumen, Ihrem patriotischen Traum, unserem humanitären Traum und unserem Wissenschaftstraum. Von all diesen Träumen ist Letzterer der einzige den ich für legitim halte."

Nach der Trauung im Jahr 1895 folgten elf gemeinsame Ehejahre, von denen sie die meiste Zeit zusammen verbrachten. Sie forschten tagein, tagaus im Labor, diskutierten wissenschaftliche Themen, räumten finanzielle und organisatorische Hindernisse aus dem Weg, bekamen zwei Töchter und schließen sogar nachts eng umschlungen miteinander ein. Während es für ihren Wissenschaftstraum ab und an von Vorteil war, dass Pierre als Mann einen anderen Status hatte und mit seiner Stellung an der Sorbonne über wichtige Kontakte verfügte, so war Maries Selbstbewusstsein und Glauben an ihre Fähigkeiten für das Vorantreiben der Forschung essentiell. Für Marie sollte Pierres Tod im Jahr 1906 eine der schmerzhaften Verluste ihres Lebens werden.

ANDRÉ Debierne: Wissenschafts-Kollege, Labor-Assistent und treuer Freund

Unter Wissenschaftlern gibt es verschiedene Beziehungen. Von Konkurrenz über Missgunst, Respekt und Wohlwollen, Hilfestellung und Austausch ist vieles (und noch mehr) möglich. Mit manchen Kollegen lieferten sich die Curies Wettrennen und veröffentlichten Abhandlungen, die auf den anderen Bezug nahmen oder dessen Ergebnissen widersprachen (wie mit Ernest Rutherford). (20) Mit anderen entstand eine enge Zusammenarbeit. Wohingegen die Mitwirkung von Henri Becquerel – trotz der Sicherung von Stipendien für die Curies und dem gemeinsamen Nobelpreis zur Radioaktivität mit den Curies 1903 – von Spannungen geprägt war, blieb der Chemiker André Debierne 40 Jahre ein treuer Freund und Mitarbeiter von Marie Curie. Fast täglich kam er nach seiner eigentlichen Arbeit in einem Labor an der Sorbonne, bei Marie und Pierre in deren Schuppen vorbei, um die Chemikalien für die Experimente vorzubereiten. (21) 

Mit seinem Einsatz für die Curies hat er ein Umfeld für ebendiese geschaffen, indem sie sich auf ihre Tätigkeit konzentrieren konnten.  Auch privat war er für sie da: Als Marie im Jahr 1912, nach dem Öffentlichwerden ihrer Affäre mit dem verheirateten Paul Langevin und der daraufhin folgenden Schlammschlacht, einen Zusammenbruch erlitt, kümmerte er sich so gut er konnte um die doch noch kleinen Töchter von Marie. (22) Er soll stellvertretend für alle fachlichen Unterstützer von Marie Curie stehen, von denen es zum Glück einige gegeben hat und ohne die der Weg bestimmt noch steiniger oder gar unmöglich gewesen wäre.

1925: Marie Curie und ihre Tochter Irène © Creative Commons
1919: Marie und Irène Curie mit Studenten des American Expeditionary Corps im Radium-Institut © Public domain

Dr. Eugène Curie: Ihr Schwiegervater kümmert sich um Haushalt und Kindererziehung

Ein Leben, das so der Wissenschaft gewidmet war und dem sich Vieles unterordnen musste, wie es bei den Eheleuten und Eltern Curie der Fall war, konnte nur durch die Hilfestellung von einer weiteren Person möglich gemacht werden: Dr. Eugène Curie, dem Vater von Pierre. Als Irène, die erste Tochter von Pierre und Marie, auf die Welt kam, versuchte Marie noch Arbeit und Privatleben unter einen Hut zu bekommen und engagiert eine Amme. Das Geld war knapp und ihr wuchsen die Aufgaben über den Kopf. Die Rettung kam in der Person des frisch verwitweten Dr. Curie, der seinem Sohn und der Schwiegertochter anbot, sich um das Baby und den Haushalt zu kümmern und schlussendlich bei ihnen einzog. (23) Bis zu seinem Tod war Dr. Curie für seine Enkelinnen da und eine der wichtigsten Bezugspersonen. 

Wiederum gingen die Curies hier einen nicht konventionellen Weg. Selbst heute, über 100 Jahre später, würden wir das als untypische Rollenverteilung wahrnehmen (wie traurig!) und damals war das vollkommen unvorstellbar, dass Männer für die Karriere der Frau zu Hause blieben. Ohne die Unterstützung bei der Kindererziehung hätte Marie vermutlich nicht ihre Dissertation beginnen und die anstrengende Arbeit im Labor tätigen können. 

Die ältere Tochter Irène zeigte schon früh ein Interesse an der Arbeit ihrer Eltern und Marie nahm sie mit ins Labor, um mit ihr das eigene Wissen zu teilen. Diese trat, wiederum mit ihrem eigenen Ehemann Frédéric Joliot-Curie, in die Fußstapfen ihrer bekannten Eltern und das jüngere Paar erhielt 1935 den Nobelpreis für die Entdeckung der künstlichen Radioaktivität. (24) Einen Triumph, den Marie Curie leider nicht mehr erleben sollte.

FAZIT

Was ich von Marie Curie gelernt habe

Ich habe versucht herauszufinden, was Marie Curie so erfolgreich gemacht hat und eine Frau kennengelernt, die von klein auf gefördert wurde und in jungen Jahren ihre Berufung gefunden hatte. Sie hatte sich schon so früh mit naturwissenschaftlichen Themen auseinandergesetzt und wissenschaftliche Methoden in ihrem Selbststudium angewendet, sodass die Tätigkeiten im Forscher-Alltag nicht so große Überraschungen mit sich brachten. Ihr muss klar gewesen sein, dass Geduld und das Hinterfragen von Dingen wichtige Eigenschaften waren, die sie glücklicherweise mitbrachte. Hinzu kam der unerschütterliche Glaube an eine mögliche Entdeckung, unterstützt durch Erkenntnisse, die sie bei ihren Studien erlangt hatte. Wie sonst sollte sie die sich immer wiederholenden Experimente jahrelang mit stoischer Genauigkeit, den Witterungen und Geldmangel zum Trotz, durchgezogen haben? Für mich ist es unvorstellbar an einer Aufgabe länger als ein paar Wochen zu sitzen und ich bewundere Marie dafür. Für das Selbstbewusstsein an einer Sache zu bleiben, von der man nicht weiß, ob und was dabei herauskommt. Es eine Erfolgsgeschichte sein wird, an der man gerade arbeitet. Ich ziehe meinen Hut vor den Wissenschaftlern dieser Welt, den Studenten, den Professoren, aber vor allem auch den Doktoranden, die zum ersten Mal in ihrer wissenschaftlichen Laufbahn „etwas Neues“ finden müssen und sich auf diesen schwierigen Pfad der Unwissenheit begeben.
 
Marie Curie ist für mich nun nicht mehr nur die Frau mit den zwei Nobelpreisen, sondern ich habe nun ein Bild von ihrem Wirken vor mir. Ich sehe eine Frau im schwarzen Kleid, dessen Farbe die Verbrennungen und Flecken versteckt, wie sie im kargen Labor wieder und wieder die gleichen Handgriffe tätigt, stundenlang, wochenlang, jahrelang, angetrieben vom inneren Strahlen namens Glauben, den sie eines Tages in der so bekannten leuchtenden Radium-Phiole verwirklicht sehen darf.

(1) Vgl. S. 217, Deborah Jaffé: Geniale Frauen. Berühmte Erfinderinnen von Melitta Bentz bis Marie Curie, Piper Verlag München, 2008, Abschnitt Wissenschaft und Medizin.

(2) Vgl. S. 12f, Barbara Goldsmith: Marie Curie. Die erste Frau der Wissenschaft, aus dem Amerikanischen von Sonja Hauser, Piper Verlag München, 2010.

(3) Vgl. „Marie Curie: Ich werde dumm sein, solange ich lebe“, S. 102-112, in Peter Braun: Mutige Frauen. Flintenweiber, Königinnen, Kurtisanen, arsEdition München, 2013.

(4) Judith Rauch: Weltstar Marie Curie, in Zeitschrift Emma, 1990: https://www.emma.de/artikel/naturwissenschaftlerinnen-marie-curie-264482 (aufgerufen: 12. Januar 2023)

(5) Vgl. S. 28, Barbara Goldsmith: Marie Curie. Die erste Frau der Wissenschaft, aus dem Amerikanischen von Sonja Hauser, Piper Verlag München, 2010.

(6) Ebd., S. 21f.

(7) Vgl. ebd., S. 33.

(8) Vgl. ebd. S. 40.

(9) S. 62, Ève Curie, Madame Curie: Eine Biographie, Frankfurt am Main, 1952.

(10) Vgl. 110f, „Marie Curie: Ich werde dumm sein, solange ich lebe“, S. 102-112, in Peter Braun: Mutige Frauen. Flintenweiber, Königinnen, Kurtisanen, arsEdition München, 2013.

(11) Vgl. S. 45f, Barbara Goldsmith: Marie Curie. Die erste Frau der Wissenschaft, aus dem Amerikanischen von Sonja Hauser, Piper Verlag München, 2010.

(12) S. 109, Susan Quinn, Madame Curie – Eine Biographie, Frankfurt am Main/Leipzig, 1999.

(13) Vgl. Mihály Csíkszentmihályi: Kreativität. Wie Sie das Unmögliche schaffen und Ihre Grenzen überwinden, Klett-Cotta Stuttgart, 2010.

(14) S. 14, Marie Curie: Pierre Curie, Wien 1950, englische Ausgabe.

(15) Vgl. S. 68, Barbara Goldsmith: Marie Curie. Die erste Frau der Wissenschaft, aus dem Amerikanischen von Sonja Hauser, Piper Verlag München, 2010.

(16) Vgl. ebd. S. 94.

(17) Ebd. S. 89.

(18) Vgl. Roy Porter, The Greatest Benefit to Mankind, Harper Collins, 1997, S. 240.

(19) S. 53, Barbara Goldsmith: Marie Curie. Die erste Frau der Wissenschaft, aus dem Amerikanischen von Sonja Hauser, Piper Verlag München, 2010.

(20) Vgl. ebd. S. 100.

(21) Vgl. ebd. S. 80f.

(22) Vgl. ebd. S. 176ff.

(23) Vgl. ebd. S. 64.

(24) Vgl. ebd. S. 218f.

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Hallo, ich bin Isabelle
Als Gründerin von Lore & Belle glaube ich an die Kraft von Geschichten und Held*innen, die uns als Persönlichkeit stärken und als Wegweiser für unser eigenes Leben dienen können. Unsere Schnittmuster können den Zugang zu starken Vorbildern und deren Geschichten erleichtern. Lass dich inspirieren und schreib' deine Geschichte selbst!
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